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Kreuzbild von Johannes vom Kreuz |
Ein
großes Bild ja, aber nicht von einem, der als großer Maler gilt. Johannes vom
Kreuz (1542 bis 1591), der bedeutendste Mystiker der Neuzeit und einer der
großen Meister der spanischen Sprache, schuf es in dem für seine dramatische
Biographie entscheidenden Jahr 1577. Noch wirkte er als Spiritual und
Beichtvater im Karmelitinnenkloster „La Encarnación“ zu Avila, wo Teresa von
Jesus, die ihm ebenbürtige Mystikerin, Priorin war. Im Streit um die Reform des
Ordens, deren geistliche Antriebskräfte Teresa und Johannes waren, wurde er
Ende 1577 von seinen Gegnern entführt, und von da an durchlitt er bis zu seinem
Tod eine Epoche der Demütigung, Verfolgung, Verkennung, Anfechtung und
Krankheit. Gerade in diesen Jahren reifte sein literarisches Werk, das nicht nur
ein einmaliges Zeugnis persönlicher Liebesvereinigung mit dem lebendigen Gott
darstellt, sondern auch bis heute den Weg anzeigt, der zu diesem Ziel führt.
Der entscheidende Punkt auf diesem Weg ist – wie könnte es in christlicher
Mystik anders sein? – der Gekreuzigte, das Kreuz.
Trotz
seiner winzigen Maße, trotz des bescheidenen Aufwands – eine Federzeichnung von wenigen Quadratzentimetern
– ein großes Bild. Die Größe dieses Bildes liegt in der überraschenden
Unmittelbarkeit, in der seine Gestalt als solche zu sprechen vermag, wenn wir
uns, ohne uns auf Kontexte abzustützen, die Augen von ihr gefangennehmen
lassen.
Wen
wundert es, dass einer, der nichts anderes „ist“ als lebendige Beziehung zum
Gekreuzigten, ihn nicht nur in sich, sondern auch über sich hinaus zur Gestalt
bringt? Es geht bei dieser Zeichnung eines Meditationsbildes nicht darum, ein
Kunstwerk zu fertigen, sondern jenen, den die eigene Seele sucht, ins Bild zu
holen und sich selbst ins Erbilden dieses Bildes hineinzugeben.
(Bischof+ Klaus Hemmerle)
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