Donnerstag, 15. Oktober 2015

15. Oktober - Festtag der heiligen Teresa von Jesus

IHM
schenk ich mein ganzes Streben,
alles, was ich bin, ist sein.
So ist mein Geliebter mein,
und ich bin ihm hingegeben.
Ja, sein Pfeil hat mich gefunden,
und sein Lieben traf mein Leben.
Ewig bin ich so verbunden
Meinem Schöpfer, daß danaben
andre Liebe ganz schwunden,
er erfüllt mein ganzes Sein:
So ist mein Geliebter mein,
und ich bin ihm hingegeben.

(Teresa von Avila, vgl. Erika Lorenz: Ich bin ein Weib und obendrein kein gutes)
 
Horace Le Blanc, Tranverberazione di S. Teresa, 1621,
Musée des Beaux-Arts de Lyon







 





Mittwoch, 14. Oktober 2015

Herr, mir geschehe Dein Wille

Und je mehr man durch sein Leben erweist, daß es sich nicht um leere Worte handelt, um so enger und enger vereint sich uns der Herr und hilft uns, alles Geschaffene wie uns selbst zu übersteigen, um seine großen Gnaden zu empfangen, die er denen, die ihm in diesem Leben dienen, unaufhörlich schenkt. So reich sind seine Gaben, daß wir gar nicht mehr wissen, um was wir noch bitten sollen, und seine Majestät wird niemals müde zu geben. 

Ja, es genügt ihm noch nicht, daß er unsere Seele mit sich vereinte, er beginnt auch, sich an ihr zu erfreuen, ihr Geheimnisse mitzuteilen und zu sehen, wie sie durch ihr Verstehen vorankommt und zu ahnen beginnt, was er zu schenken vermag. Er läßt sie den Gebrauch ihrer äußeren Sinne verlieren, damit sie nichts anderes mehr wahrnehme. Das nennt man Ekstase. Und er beginnt ihr solche Freundschaft zu bezeugen, daß er ihr nicht nur ihren Willen zurückgibt, sondern noch den seinen dazu. Denn es freut den Herrn in dieser liebevollen Freundschaft, daß er sich den Wünschen der Seele unterwirft, so wie sie sich den seinen, nur viel vollkommener, denn er ist allmächtig und vollbringt, was er wünscht so, daß nichts zu wünschen übrig bleibt.

Die arme Seele aber kann nicht alles, was sie wünscht vollbringen, sie vermag gar nichts, wenn er es ihr nicht schenkt: Das ist ihr größter Reichtum. Ich möchte euch eines raten: Meint nie, ihr könntet aus eigener Kraft und durch eigenes Bemühen zu diesem Gebet gelangen. Wenn ihr es versucht, werdet ihr scheitern und nur Kälte und Trockenheit empfinden. Ihr könnt nichts anderes tun, als in Schlichtheit und mit allumfassender Demut sagen: Dein Wille geschehe.  

(Teresa von Avila, vgl. Erika Lorenz: Ich bin ein Weib und obendrein kein gutes)


Dienstag, 13. Oktober 2015

Seinen Willen dem Herrn überlassen

Alle Ratschläge, die ich euch in diesem Buch gegeben habe, zielen auf einen einzigen Punkt: daß wir uns ganz dem Schöpfer schenken und unseren Willen in den seinen fügen. Dann wird der Weg kurz, auf dem wir zum Quell lebendigen Wassers gelangen. Aber nur der wird daraus trinken, der übergibt, daß dieser ihn mit dem seinen in Übereinstimmung bringe. Das ist die vollkommene Kontemplation, meine Töchter, nach der ihr mich gefragt hattet.

Wir selbst, das schrieb ich schon, können dabei garnichts tun. Jede Anstrengung hindert uns, nichts anderes zu sagen als: Dein Wille geschehe. Ja Herr, mir geschehe Dein Wille, alles, was Du möchtest und wie Du es wünschst. Mögen Leiden über mich kommen mit der Kraft, sie zu ertragen; sind es Verfolgungen, Krankheiten, Entehrungen und Not - hier bin ich, Vater, ich wanke nicht und sehe keinen Grund zur Flucht. Denn Dein Sohn gab im Namen aller auch meinen Willen zur Liebe, wie sollte ich mich da verweigern.

Meine Schwestern, welche Kraft hat dieses Geschenk! Wenn wir es entschlossen geben, so ist es tatsächlich fähig, den Allmächtigen zu bewegen, daß er in unsere Niedrigkeit eingeht und uns in sich verwandelt. So wird der Schöpfer eins mit dem Geschöpf.

(Teresa von Avila, vgl. Erika Lorenz: Ich bin ein Weib und obendrein kein gutes)


Montag, 12. Oktober 2015

O freier Wille, welch Sklave deiner Freiheit bist du doch

Wie armselig ist die Weisheit der Sterblichen und wie unsicher ihre Vorsorge! Gebe doch, Herr, Deine Vorsehung meiner Seele, wessen sie bedarf, um mehr Deinen Wünschen als ihren eigenen zu dienen. Straf mich nicht, indem Du mir gibst, was ich will und wünsche, wenn es Deiner Liebe, die immer in mir leben möge, nicht entspricht. Möge doch dieses mein Ich sterben, auf daß ein neues, größeres und besseres in mir lebe, dem mein kleines Ich zu dienen vermag: Dieses große Ich lebe in mir und gebe mir Leben. Es herrsche, und ich sei seine Gefangene, denn meine Seele will keine Freiheit mehr. Wie wäre denn frei, wer sich vom höchsten Gut entfernte? Gibt es denn für die Seele eine elendere Gefangenschaft, als wenn sie sich aus der Hand des Herrn löste? Glücklich, die sich durch starke Gitter und Ketten des göttlichen Erbarmens gefangen sehen und sich nicht daraus befreien können. Stark wie der Tod ist die Liebe und hart wie die Hölle. O hätten mich doch die Hände Deiner Liebe schon getötet und in diese göttliche Hölle geworfen, aus der es keinen Ausgang geben möge, oder besser gesagt, daß man nicht mehr fürchten müsse, sie zu verlassen! Denn, ach mein Herr, so lange dieses irdische Leben dauert, besteht auch die Gefahr, daß wir das ewige verlieren!

Wenn ich es recht überdenke, ach Du mein Herr, so ist meine Verbannung lang. Kurz aber ist die Zeit, die uns gegeben wurde, um uns Ewigkeit zu erwirken. Lang ist ein einziger Tag, eine einzige Stunde für den, der fürchtet, Dich beleidigt zu haben. O freier Wille, welch Sklave deiner Freiheit bist du doch, solange dich nicht Furcht und Liebe an den Schöpfer binden. Wann werde ich ihn sehen, den glückseligen Tag, da du verschlungen bist vom unendlichen Meer der höchsten Wahrheit! Da du nicht mehr frei bist zu sündigen, noch frei sein möchtest, weil du, vor allem Elend sicher, ganz eingingst in das Leben deines Gottes.  

(Teresa von Avila, vgl. Erika Lorenz: Ich bin ein Weib und obendrein kein gutes)


Sonntag, 11. Oktober 2015

„O Du wahrhaft Liebender!“

Mit wieviel Erbarmen, mit welch sanfter und zärtlicher Beglückung heilst Du uns die Wunde, die Du selbst mit deinem Pfeil verursachtest. O mein Gott, Du Stiller aller Leiden, wie ungereimt rede ich doch! Wie könnten denn menschliche Mittel die Wunden des göttlichen Feuers heilen? Wer kennt die Ursache und Tiefe dieser Wunden? Wer weiß diese glückselige Qual zu lindern? Es wäre widersinnig, die kostbare göttliche Wunde mit den geringen Mitteln der Sterblichen heilen zu wollen. Mit wieviel Recht sagt die Braut im Hohen Lied:
„Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein.“
Denn eine solche Liebe kann unmöglich von einer Unzulänglichkeit wie der meinen ihren Ausgang nehmen.

Wieso dann aber, geliebter Bräutigam, bleibt diese Unzulänglichkeit nicht bei den geschaffenen Dingen stehen, sondern schwingt sich zu ihrem Schöpfer auf? O mein Gott, warum kann ich sagen, ich bin Dein? Du, mein wahrhaft Liebender, hast diesen Liebeskrieg begonnen, der nichts anderes ist als eine Beunruhigung und ein Ausgesetztsein aller Sinne und Seelenkräfte, die gleich der Braut im Hohen Lied hinausgehen auf die Straßen und Plätze, um die Töchter Jerusalems zu beschwören, ihr zu sagen, wo sie Gott finde. Denn, Herr, wenn diese Schlacht begonnen hat - wer ist ihr Gegner, wenn nicht JENER, der die Burg besetzt hat, die sie bewohnten, d.h. den höchsten Teil der Seele, und der sie von dort vertrieb, damit sie umkehrten, ihren Eroberer zu erobern. Ohne ihn sind sie schnell ermüdet und je mehr sie ihren Widerstand aufgeben, umso besser kämpfen sie. Schließlich erklären sie sich für besiegt und besiegen so ihren Besieger.

Ach, meine Seele, welch wunderbare Schlacht hast du in diesen Kämpfen geschlagen und wie buchstäblich erfüllt es sich so! Denn mein Geliebter ist mein und ich bin sein: Wer vermöchte zwei so flammende Feuer zu trennen oder zu löschen? Vergeblich wäre das Bemühen, denn beide sind eins geworden.   

(Teresa von Avila, vgl. Erika Lorenz: Ich bin ein Weib und obendrein kein gutes)


Samstag, 10. Oktober 2015

Er reichte mir seine rechte Hand

Es war im zweiten Jahr meines Priorats im Menschwerdungskloster, eine Woche nach dem St. Martinstag. Als ich zur Heiligen Kommunion ging, zerbrach der Pater Johannes vom Kreuz die Hostie und teilte sie zwischen mir und einer anderen Schwester. Ich dachte, er tue das nicht aus Mangel an Hostien, sondern um mich zu erziehen, denn ich hatte ihm erzählt, wie gern ich möglichst große Hostien erhielt, obwohl mir natürlich klar war, daß ich immer den ganzen Herrn empfing, selbst in dem kleinsten Stück. Da sagte seine Majestät zu mir:
„Fürchte dich nicht, Tochter, niemand vermag dich von mir zu trennen.“

Damit gab er mir zu verstehen, daß ich mir nichts aus der Teilung der Hostie machen solle. Und dann ließ er mich, wie schon öfter, ganz tief im Innern eine bildhafte Vision erfahren: Er reichte mir seine rechte Hand und sprach:
„Sieh in meiner Hand den Nagel. Er ist das Zeichen, daß ich mich heute mit dir vermähle. Bis jetzt hattest du es noch nicht verdient. Von nun an aber bin ich nicht nur dein Schöpfer, dein Gott und dein König, zu dessen Ehre du lebst, sondern du bist nun meine wahre, mir angetraute Gemahlin. Meine Ehre ist deine Ehre und deine Ehre ist meine Ehre.“

Diese Gnade tat eine solche Wirkung in mir, daß ich völlig außer mir und wie von Sinnen war und ihn bat, er möge entweder meine Niedrigkeit erheben oder mir nicht eine solche Gnade erweisen. Denn ich hatte das sichere Gefühl, daß meine natürlichen Kräfte dem nicht gewachsen waren. Ich blieb so den ganzen Tag in tiefer Versunkenheit, wie abwesend. Hinterher spürte ich dann, welch ein Geschenk ich empfangen hatte, aber noch größer waren meine Verwirrung und Betrübnis, weil ich doch sehe, daß ich so großen Gnaden in keiner Weise zu entsprechen vermag.

(Teresa von Avila, vgl. Erika Lorenz: Ich bin ein Weib und obendrein kein gutes)

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...