Donnerstag, 5. Oktober 2017

Von den letzten Tage im Leben der heiligen Therese von Lisieux und ihrem Sterben (5/5)

Alsobald ereigneten sich in der Klostergemeinde verschiedene, wunderbare Vorgänge, deren wir nur einige hier anführen wollen. Von dem ersten Ereignis haben wir bereits weiter oben berichtet; es ist die plötzliche Heilung jener Laienschwester von einem schweren Kopfleiden, die, die Füße der engelgleichen Nonne küssend, dieselben voll Vertrauen mit der Stirne berührte.

Wieder eine andere Klosterfrau nahm in der Zelle, in der sich keinerlei Blumen befanden, einen süßen, durchdringenden Veilchenduft wahr.

Eine dritte hatte die Empfindung, als würde sie einer liebevollen, zärtlichen Umarmung teilhaftig. Zwei weitere Schwestern sahen, die eine einen strahlenden, sich am Himmel hinziehenden Lichtstreifen, die andere eine glänzende Krone, die sich von der Erde erhob und in den Höhen des Firmaments verschwand.

Samstag und Sonntag strömte eine zahlreiche Volksmenge herbei, um in erbaulicher Sammlung vom Chorgitter aus die trotz der Majestät des Todes so liebliche, weiße Blume noch ein letztes Mal zu betrachten; auch jetzt noch war das einstige kleine Prinzeßchen anmutig wie im Leben. Hunderte von Gegenständen, Rosenkränze, Medaillen, ja sogar Schmucksachen wurden an die liebe kleine Heilige gerührt. – Unter der Schar der Personen aller Stände befand sich ein zehnjähriges Mädchen, das einen köstlichen Liliendurft wahrnahm; es war dies ganz unerklärlich, denn die vielen Lilien, die die jungfräuliche Leiche zierten, waren lauter künstliche Blumen. – Diese Gunstbezeugung ist unserem Kloster erst kürzlich mitgeteilt worden; das von unserm kleinen Engel damit begnadete Kind ist immer noch glücklich darüber.

Am 4. Oktober, dem Tage der Beisetzung, sahen wir die treue Dienerin Gottes von einer großen Schar von Priestern umgeben. Diese Ehre gebührte ihr aber auch; denn wieviel hatte sie gerade für die Gesalbten des Herrn gebetet und geopfert.

Nach der feierlichen Einsegnung wurde dann das kostbare Weizenkörnlein von den mütterlichen Händen der heiligen Kirche in die geweihte Erde gesenkt.

Und seitdem hat das Wort des göttlichen Schnitters sich herrlich bewährt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein; wenn es aber stirbt, so bringt es viele Frucht.“

Am öftesten bleiben diese Früchte hienieden verborgen; aber der Herr will dieses Mal die Stunde der ewigen Offenbarungen beschleunigen, er will, daß wir die herrliche Ernte betrachten, die da reift allerorten auf dem Angesichte der Erde . . .

Die göttliche Barmherzigkeit sei dafür ewig gelobt! Sie, die Urheberin aller Wunderwerke.

(Aus: Die ehrwürdige Theresia vom Kinde Jesu, Geschichte einer Seele von ihr selbst geschrieben, 4. Aufl., Kirnach-Villingen (Baden) 1922, S. 251ff.)


Therese von Lisieux. Totenbett. Ausschnitt


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