6.W.K.9.13.
Er hielt das, was einige rieten, nämlich „den Stinkefinger zu zeigen“,30 sobald sie irgendeine Vision schauten, für ganz
verkehrt, denn er sagte, dass wir unseren König zu verehren hätten, wo immer
wir ihn gemalt sähen; und ich sehe ein, dass er Recht hat, denn es würde ja
schon hienieden wehtun. Wenn jemand, der einen anderen Menschen gern hat,
wüsste, dass dieser seinem Porträt derartige Schmähungen zufügte, würde ihm das
wohl kaum gefallen. Um wie viel mehr ist es dann begründet, überall da, wo wir
ein Kruzifix oder ein Bildnis unseres Herrschers sehen, Ehrfurcht walten zu
lassen! Auch wenn ich bereits anderswo darüber geschrieben habe,31 machte es mir Freude, es hier niederzuschreiben,
da ich erlebt habe, dass eine bestimmte Person, der man aufgetragen hat, dieses
Hilfsmittel anzuwenden, ganz geknickt war.32
Ich weiß nicht, wer so etwas erfunden hat, um eine zu quälen, wo ihr doch
nichts anderes übrig bleibt als zu gehorchen, sobald ihr der Beichtvater diesen
Rat gibt, da sie sonst, wenn sie es nicht tut, meint verloren zu gehen. Mein
Rat ist, ihm in Demut dieses Argument entgegenzuhalten und seinen nicht
anzunehmen, auch wenn er euch diesen geben sollte.33
Mir hat bestens zugesagt, was mir einer, der mir das in diesem Fall sagte, an
ausgezeichneten Argumenten geliefert hat.34
Anmerkungen
30
Que den higas (Feigen zu machen), womit eine aus römischer Zeit stammende obszöne
Geste gemeint war, die Verachtung für das Gegenüber ausdrücken sollte (indem
man mit geballter Faust den Daumen zwischen Zeigefinger und Mittelfinger
hervorstreckt); vgl. V 25,22 und vor allem V 29,5f bzw. F 8,3, wo sich mit
dieser Geste eine sehr schmerzhafte Episode für die Autorin selbst verbindet.
Geste und Ausdruck waren auch in anderen romanischen Ländern bekannt (in
Frankreich: faire la figue; in Italien: fare la fica). Daneben existierte ein
Amulett in dieser Form, dem magische Kraft gegen den bösen Blick und sonstige
Formen der Verhexung zugeschrieben und das aus diesem Grund in der Gegend von
Ávila und Salamanca den Kindern umgehängt wurde. Die deutsche Entsprechung ist
der Stinkefinger.
31
Siehe F 8,3.
32
Sie selbst; siehe V 29,5f.
33
Der Leser beachte die herbe Kritik am Verhalten des Beichtvaters und die
Autorität, mit der Teresa ihren Schwestern rät, in diesem Fall nicht zu
gehorchen.
34
Wohl eine erneute Anspielung auf Domingo Báñez. Auch Juan de Ávila hatte in
seinem Brief an Teresa vom 12. September 1568 sein Entsetzen über diese Entgleisung
zum Ausdruck gebracht: „Wenn diese Visionen kommen, ohne dass man sie
herbeiwünscht, muss man sie zwar möglichst fliehen, aber nicht, indem man ihnen
den Stinkefinger zeigt; ... denn es hat mich wirklich entsetzt, dass das in
diesem Fall geschah, und mir sehr wehgetan“ (BMC 2,209 bzw. Juan de Ávila,
Obras Completas, Bd. 5, 574). Allein die Tatsache, dass die Autorin noch 1577
auf diese Geschichte aus dem Jahr 1560 zurückkommt und ihre Mitschwestern zum
Widerstand gegen einen solchen Beichtvater aufruft, zeigt, wie schmerzhaft sie
für sie gewesen sein muss.
(Teresa
von Avila, Wohnungen der Inneren Burg, Vollständige Neuübertragung, Gesammelte
Werke Bd.4, Herder 2005, Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Ulrich
Dobhan OCD, Elisabeth Peeters OCD)
13. Parecíale muy
mal lo que algunos aconsejan, que den higas cuando así viesen alguna visión;
porque decía que adondequiera que veamos pintado a nuestro Rey, le hemos de
reverenciar; y veo que tiene razón, porque aun acá se sentiría: si supiese una
persona que quiere bien a otra que hacía semejantes vituperios a su retrato, no
gustaría de ello. Pues ¿cuánto más es razón que siempre se tenga respeto
adonde viéremos un crucifijo o cualquier retrato de nuestro Emperador? Aunque
he escrito en otra parte esto, me holgué de ponerlo aquí, porque vi que una
persona anduvo afligida, que la mandaban tomar este remedio. No sé quién le
inventó tan para atormentar a quien no pudiere hacer menos de obedecer, si el confesor
le da este consejo, pareciéndole va perdida si no lo hace, y el mío es que,
aunque os le dé, le digáis esta razón con humildad y no le toméis. En extremo
me cuadró mucho las buenas que me dio quien me lo dijo en este caso.
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