7.W.K.1.4.
Lasst es uns, Schwestern, besonders angelegen sein, ihn darum anzuflehen und
nicht nachlässig zu sein, denn es ist die größte Liebesgabe, für Menschen zu
beten, die in Todsünde weilen, 11 eine viel
größere als wenn wir einen Christen sähen, die Hände mit einer starken Kette
auf den Rücken gebunden und an einen Pfahl gefesselt und vor Hunger sterbend, 12 und das nicht, weil es ihm an etwas zum Essen
fehlte, hat er doch die ausgesuchtesten Speisen neben sich, sondern weil er sie
nicht nehmen kann, um sie zum Mund zu führen. Dazu ist er voller Widerwillen,
und sieht, dass er nahe daran ist, zu sterben, aber nicht eines Todes wie
hienieden, sondern des ewigen: 13 Wäre es da
keine große Grausamkeit, ihn unentwegt anzuschauen und ihm nicht etwas zu essen
in den Mund zu schieben? Wie aber, wenn ihm durch euer Gebet die Ketten
abgenommen würden? Ihr seht es selbst, denn aus Liebe zu Gott bitte ich euch,
dass ihr bei euren Gebeten solche Seelen immer in Erinnerung behaltet.
Anmerkungen
11
Im Vergleich zum Tenor der Höllenpredigten, wie sie damals gang und gäbe waren,
fällt auf, dass Teresa nicht in das allgemeine Entsetzen über die Bosheit der
schweren Sünder einstimmt, sondern in ihnen an erster Stelle arme, bedrängte Menschen
sieht, die ihr ganzes Mitgefühl brauchen. Ähnlich reagiert sie auch auf die
verfemten „Häretiker,“ für die sie ebenfalls Mitleid empfindet und alles tun
möchte, um sie zu retten; vgl. CE 4,3 bzw. CV 3,9; V 21,1.
12
Da mögen ihr die von den Türken gefangenen Christen in den Sinn gekommen sein,
deren Los man sich so vorstellte.
13
Ein erneutes Beispiel für Teresas assoziative Denkweise, die manchmal alle Regeln
der Logik sprengt: Mitten im Bild wechselt sie vom gefesselten „guten Christen“
(dem man doch helfen müsse – so die Argumentation) zu dem durch seine Sünde
gefesselten schweren Sünder.
(Teresa
von Avila, Wohnungen der Inneren Burg, Vollständige Neuübertragung, Gesammelte
Werke Bd.4, Herder 2005, Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Ulrich
Dobhan OCD, Elisabeth Peeters OCD)
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