6.W.K.7.12.
Falls sie das nicht tut, wäre es gut, wenn sie es zu tun versuchte,
denn
ich weiß,32 dass auch das tiefste Gebet sie
nicht daran hindern wird, und halte es nicht für gut, wenn sie sich nicht
oftmals darin übte.Wenn der Herr sie dem entziehen sollte – meinen herzlichen
Glückwunsch dazu! Denn selbst wenn sie es nicht wollte, wird er sie dort
verweilen lassen, wo er ist. Ich bin mir ganz sicher, dass diese Vorgehensweise
sehr förderlich ist für alles, was gut ist, und nicht hinderlich, was es wohl wäre,
wenn sie sich mit dem Nachsinnen sehr abplagte, wie ich es am Anfang geschildert
habe. Ich bin überzeugt, dass jemand, der schon weiter gelangt ist, dazu nicht
mehr fähig ist, möglicherweise aber doch noch, denn Gott führt die Seelen auf vielen
Wegen.33 Doch sollte man diejenigen, die
diesen34 nicht zu gehen vermögen, nicht
verurteilen, noch sie als unfähig einstufen, um die großen Güter zu genießen,
die in den Geheimnissen unseres höchsten Gutes, Jesus Christus, enthalten
sind.Und es wird mich niemand, mag er ein noch so großer Spiritueller 35 sein, zur Einsicht bringen können, dass er auf
diesem Weg gut vorankommt.36
Anmerkungen
32
Erneut beruft die Autorin sich mit großem Selbstbewusstsein auf ihre Erfahrung.
33
Auf die unterschiedlichen Wege weist Teresa immer wieder hin; vgl. 1M 2,8.12; 5M
3,4; und ferner V 13,13; MC 2,5.23; CE 27,2.
34
Die kontemplative Gebetsweise, die sie eben beschrieben hat.
35
Damit greift Teresa die damals geläufige Terminologie auf, die zwischen „letrados“
(„Studierten“, also gebildeten, aber oftmals mystikfeindlichen Theologen) und
„espirituales“ (zumeist ungebildeten und oftmals bildungsfeindlichen Spirituellen)
unterschied. Siehe dazu D. de Pablo Maroto, Teresa en oración, bes. 313-318.
36
Sie polemisiert erneut gegen die oben (7,5) zitierte Auffassung, beim
kontemplativen Beten sollte die Beziehung zu Christus und die Beschäftigung mit
seinen Heilsgeheimnissen in den Hintergrund rücken. Der Leser beachte, mit
welchem Selbstbewusstsein Teresa hier geistlichen Autoritäten ihrer Zeit (Francisco
de Osuna, Bernardino de Laredo, Bernabé de Palma) widerspricht.
(Teresa
von Avila, Wohnungen der Inneren Burg, Vollständige Neuübertragung, Gesammelte
Werke Bd.4, Herder 2005, Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Ulrich
Dobhan OCD, Elisabeth Peeters OCD)
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