Sonntag, 19. Februar 2012

Im Karmel von Compiègne


Zum Film über die Karmelitinnen von Compiègne:


Die Priorin und Blanche de la Force, die um Aufnahme gebeten hat, befinden sich im Sprechzimmer; während des längeren Gespräches sagt die Priorin:

Meine Tochter, die guten Leutchen fragen sich, wozu wir denn eigentlich taugen, und im Grunde ist ihr Fragen recht entschuldbar. Durch unsere strengeren Entbehrungen glauben wir ihnen zu beweisen, dass man auf viele Dinge sehr wohl verzichten kann, die sie für unentbehrlich halten. Doch damit das Vorbild wirkt, müssten die Leute zu guter Letzt doch sicher sein, dass uns diese Dinge einst genauso unentbehrlich waren wie ihnen.

Nein, meine Tochter, wir sind keine Abtötungsunternehmen, keine Tugendmuseen, wir sind Stätten des Gebets.
Einzig das Gebet rechtfertigt unser Dasein. 
Wer nicht an das Gebet glaubt, muss uns für Schwindler oder Schmarotzer halten. Wenn wir das den Gottlosen offener sagten, würde man uns besser verstehen.

Sehen Sie, meine Tochter, so hat es Gott gewollt: nicht indem er aus dem Gebet etwas so Unentrinnbares gemacht hätte wie Hunger und Durst, aber indem er zuließ, dass die einen stellvertretend für die anderen beten können. So wird jedes Gebet ein Menschheitsgebet, (und sei es das eines Hirtenbuben, der seine Herde hütet. (Kurzes Schweigen.) Was der Hirtenbub aus einer Herzensregung heraus dann und wann tut, das müssen wir Tag und Nacht tun. Nicht, weil wir annehmen, wir könnten besser beten als er. Im Gegenteil, diese Seelenschlichtheit, dies zarte Sichhingeben an die göttliche Hoheit, ist bei ihm eine Eingebung des Augenblicks, eine Gnade: wir müssen unser ganzes Leben weih'n, um das zu erringen oder um es wiederzufinden, wenn wir es einmal besessen haben. Denn dies Geschenk der Kindheit überdauert die Kindheit selten genug.

(George Bernanos, Die begnadete Angst)

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