Da
fällt an einem Herbstabend 1947 in die Überlegungen und Sorgen um die Zukunft
des Hauses, das dem Andenken des verstorbenen Kindes, Schwester Maria Gabriele,
erhalten bleiben soll, das Wort eines geistlichen Freundes: »Machen Sie doch einen Karmel aus dem Haus.«
Die junge Karmelitin, die er kannte, war heimlich und ungesehen in das Gespräch
eingetreten, in das Elternhaus der jungen toten Ursuline. Aber nur die eine
weiß jetzt davon, wie das göttliche Spiel der Vorsehung sie in dieser Stunde
mit der anderen verbindet: die Tote und Verklärte im Licht der Gottschauung
weiß es.
Ihre
Eltern beenden das Gespräch mit der groß und christlich überlegten Antwort:
»Bieten Sie unseren ganzen Besitz den
Karmelitinnen von Pützchen als Stiftung für einen neuen Karmel an.« Wir
schreiben in das Gästebuch des Hauses Mainfried den Wahlspruch der Karmeliten:
Zelo zelatus sum pro Domino Deo exercituum. Vom Eifer bin ich entbrannt für den
Herrn, der Gott der Heerscharen.
Die
Karmelitinnen nehmen nach Wochen das Angebot an, und der Bischof von Mainz gibt
der neuen Gründung seinen oberhirtlichen Segen.
Am 9. Mai 1948 besiedeln 5
Karmelitinnen, 3 Chorschwestern und 2 Novizen den neuen Karmel, unter ihnen
Schwester Maria Isabella vom Hl. Geist.
Der
vom Bischof ernannte Klosterkommissar, Domkapitular Moser, überträgt das
Allerheiligste, und die ganze Gemeinde geleitet die Schwestern mit dem Herrn in
feierlicher Prozession zu dem Haus Mainfried. Sie geben ihm in pietätvollem
Gedenken den Namen Karmel St. Gabriel.
Nun
könnte man meinen: die beiden Wege, auf dem nach Gottes Vorsehung zwei Kinder
1910 und 1911 anfingen, aufeinander zuzugehen, hätten sich jetzt getroffen.
Noch nicht ganz. Das letzte Stück ist für Schwester Isabella noch zu gehen.
4
Jahre lang schenkt sie aus einem reichen und freigebigen Herzen und aus einem
unbedingten Willen zum Opfer und zum Kreuz ihre junge rüstige Kraft dem inneren
und äußeren Aufbau des jungen Karmel. Sie weiß es, daß das Opfer ihres Lebens
eingemauert werden muß in die Fundamente des Karmel. Aus ihrem Wissen um ihre
frühe Vollendung sagte Schwester Maria Gabriele vom Heiligen Geist: »Über
meinem Leben steht Tempo«; aus demselben Wissen sagt Schwester Maria Isabella
vom Heiligen Geist, und sie sagt es wiederholt: »Ich werde früh sterben.«
Gott
hat ihr Opfer angenommen. Genau so unvermutet wie das blühende junge Leben der
jungen Ursuline hat der Tod das reife gesunde Leben der jungen Karmelitin
umgemäht, im selben Haus, Marienkrankenhaus Frankfurt, in dem auch die andere
starb, am 18. März 1952, zu der
Stunde, in der die Karmelitinnen die 1. Vesper vom Fest des Hl. Josef beten,
den sie kindlich verehrte.
Auch
sie starb bei vollem Bewußtsein wie ihre junge Weggefährtin 12 Jahre vorher.
Auch an ihrem Sterbebett saß ihre Mutter, die von ihrer Konversion an den Weg
des Glaubens mit ihr gemeinsam gegangen war. Die letzte Antwort, die sie einer
Schwester gab, daß Jesus nun vor der Türe stehe, war ein Lächeln und das Wort:
»Ja, er klopft schon.« Eine Stunde später hörte sie sein Wort: Wenn jemand
meine Stimme hört und mir die Tür öffnet, will ich bei ihm einkehren, und das
Mahl mit ihm halten und er mit mir. (Geh. Offbg. 3. 20.)
Im Klostergarten des Karmel St. Gabriel,
in welchem einst die kleine Annemarie Hainz als Kind spielte, haben wir sie in
dem ersten Grab auf dem stillen geweihten Friedhof zur ewigen Ruhe gebettet. Wie ein Bogen von Licht und Trost spannt sich das
silberne Band des Mains entlang zu dem Grab der anderen.
Wenn
man in dem sonnigen Erker sitzt, in dem der kleine Studiertisch von Schwester
Maria Gabriele steht, sieht man durch das Fenster auf das schmale Kreuz auf dem
Grabhügel von Schwester Isabella unter den goldgrünen Birken.
So
sind die Wege von zwei jungen begnadeten Menschen aufeinander zugegangen, weil
Gott es so wollte, und weil er auf ihrem jungen Leben und ihrem jungen Sterben
den Karmel St. Gabriel gründen wollte im Haus Mainfried zu Hainstadt am Main.
(Text eines Faltblattes
der Karmelitinnen St. Gabriel)
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