Sonntag, 21. September 2014

Gründung eines Karmelitinnenklosters und sein Ende (2/4)

Gott gründet einen Karmel

oder:
Zwei Wege laufen aufeinander zu

Aus der Entstehungsgeschichte des
Karmel St. Gabriel
Hainstadt am Main, jetzt Hainburg
(Hervorhebungen von mir)


Sie haben einander nicht gekannt und haben nichts voreinander gewußt, aber Gott hatte sie in seiner geheimnisvollen Vorsehung einander zubestimmt. Und ihr junges Leben und Sterben trägt nun den Karmel St. Gabriel in Hainstadt am Main.



Die eine war das Kind einer glaubenssicheren und glaubensfrohen katholischen Lehrersfamilie, geboren im Dezember 1910 und im elterlichen Haus Mainfried zu Hainstadt am Main getauft, die andere das Kind geistig und weltanschaulich liberaler Eltern, im August 1911 in Wien geboren und ungetauft.



Gott rückt zunächst äußerlich die Lebenswege der beiden näher aneinander. Die kleine Wienerin zieht mit ihren Eltern nach Frankfurt, und die Hainstädter geben ihr Töchterchen den Ursulinen in Frankfurt am Unterweg in Schule und Internat. Ein paar Schritte davon geht die andere zur Humboldtschule. Nach dem Abitur studiert Annemarie Mathematik und Naturwissenschaften und macht 1937 ihr Staatsexamen; Elisabeth arbeitet im Verlag des Vaters und geht später als junge Erzieherin ins Ausland. 1936 kommt sie zurück.



Vor beiden jungen Menschen liegt die Zukunft weit und offen, voller Verheißungen; beide lebensfroh und lebenstüchtig, der modernen Welt und ihrem Rhythmus geöffnet und vertraut, die eine am Steuer ihres Wagens, den der Vater ihr zum Staatsexamen geschenkt hat, die andere eine flinke Sportlerin im Paddelboot und auf dem Tennisplatz. Aber beide wissen es: das ist nicht ihre Welt. Die eine weiß es schon lange, und die andere weiß es seit ein paar Monaten, seit dem Tag, an dem sie mit einer Nonne in Portugal über den Sinn des Lebens sprach.



Am 30. April 1937 setzt sich Annemarie Hainz an das Steuer ihres Wagens, fährt mit ihren Eltern nach Geisenheim, wirft den Wagenschlag hinter sich zu, schellt an der Klosterpforte und geht ins Noviziat der Ursulinen. Am 30. Mai 1937, vier Wochen später, empfängt Elisabeth Neumann in der Bernarduskirche zu Frankfurt die heilige Taufe. Gott hat ihre Wege bereits in einem scharfen Winkel aufeinander zugestellt. Aber sie wissen nichts davon und kennen einander nicht, und niemand weiß etwas davon.



Am Christkönigsfest 1937 nimmt Annemarie Hainz das Kleid der heiligen Angela und empfängt den Namen Schwester Maria Gabriele vom Hl. Geist. Elisabeth Neumann, die junge Konvertitin, findet ihre Tätigkeit in der Verwaltung des Marienkrankenhauses in Frankfurt. In einem ernsten und glücklichen Noviziat, das von innen leuchtet, wächst die junge Ursuline als Ordensfrau und Lehrerin in ihre



Reife und macht am Fest Maria Opferung 1939 ihre erste Profeß. Weiß sie etwas von ihrer kurzen Frist, wenn sie manchmal sagt: »über meinem Leben steht Tempo!«? Ende Oktober 1940 wirft eine tückische Krankheit die junge Schwester aufs Sterbelager, und während des Hochamtes am Christkönigsfest auf die Stunde drei Jahre nach ihrer Einkleidung, folgt sie dem Ruf ihres Königs in den Armen ihrer Mutter: Veni sponsa! Ihre Eltern tröstet sie: »Der höchste König ruft mich! Wie freue ich mich. In mir ist lauter Freude!« Ihr letztes Wort ist: »Stichwort bleibt: Christus, das Wort des Lebens!«



In der kleinen Totenkapelle des Krankenhauses steht Elisabeth Neumann vor der jungen toten Nonne, die sie nicht kennt, und denkt, daß es wohl schön sein mag, so jung und gut zu sterben. Aber sie weiß nicht, daß Gott den Wegzeiger ihres Lebens auf Mainfried in Hainstadt gedreht hat. Niemand weiß es.



Am Allerseelentag tragen wir die tote Schwester Maria Gabriele zu den Gräbern ihrer Mitschwestern auf den Frankfurter Hauptfriedhof und betten sie zu den Füßen ihres gekreuzigten Königs.



Elisabeth Neumann geht ihren täglichen Weg zum Beruf durch die Jahre des Krieges und der Bomben, einen Weg vieler innerer Sorgen und drohender persönlicher Gefahren, um die nur wenige wissen. In jeder Mittagspause kniet sie eine Stunde in betender Betrachtung vor dem Tabernakel der Bernarduskirche. Sie weiß, daß ihre Konversion nur der Anfang eines Weges ist, daß sie ihn zu Ende gehen muß, daß Gott ihr ganzes Opfer will.



Nach ernster Prüfung bittet sie im Herbst 1946 die unbeschuhten Karmelitinnen im Karmel St. Josef in Bonn-Pützchen um Aufnahme und wird am 30. Mai 1947, an ihrem zehnten Taufgedenktag, dort eingekleidet. In der Form des Kreuzes auf den Boden hingestreckt, bekennt sie sich zu dem mystischen Leiden und Sterben mit Christus in einem Leben des Gebetes, der Buße und des Opfers. Sie erhält den Namen Maria Isabella vom Heiligen Geist und beginnt als reife, geistig selbständige und durchgeformte Persönlichkeit das harte und strenge Noviziat dieses alten Bußordens der Kirche in Armut und Gehorsam.



Das Haus Mainfried in Hainstadt steht unterdessen verwaist und einsam.


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