Theresia
hatte schon das vierzigste Lebensjahr erreicht, als ihr ein
gewöhnlich-ungewöhnliches Erlebnis widerfuhr. Sie war eines Abends im Begriffe,
in ihre weiträumige Zelle zu gehen, und bemerkte dabei eine zufällig an die
Wand gestellte Statue, die noch heute im Kloster hoch in Ehren gehalten wird.
Sie stellt Christus an der Säule dar im Augenblick, da er von Kriegsknechten
gegeißelt wird. [...]
Bild
und Wort ergänzen sich gegenseitig; sie gehören zusammen. Dies erfuhr auch
Theresia. Nachdenklich blieb sie vor dem Bilde stehen und schaute es gründlich
an. Der mit vielen Wunden bedeckte, blutüberströmte Herr erduldete die Qualen,
ohne aufzuschreien. Die grausame Szene darf man nicht mit dem lahmherzigen
Gefühl betrachten: „Es ist mir allzu realistisch dargestellt, mit sind
liebliche Szenen angenehmer.“ Zwar hatte Theresia schon oft ähnliche
Bildergesehen, aber ohne sich dabei etwas zu denken, war sie gleichgültig an
ihnen vorüber gegangen.
(Walter
Nigg)
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