Mittwoch, 25. Juni 2014

Das Bild im Oratorium

Meine Seele war müde, und gerne wäre sie zur Ruhe gekommen, aber ihre bösen Gewohnheiten ließen es nicht zu.

Als ich nun eines Tages ins Oratorium ging, da geschah es, dass mein Blick auf ein Bild fiel, das für ein gewisses Fest des Klosters entlehnt und dorthin zur Aufbewahrung gebracht worden war.

Dieses Bild stellte Christus mit vielen Wunden bedeckt dar und war so andachtserweckend, dass ich bei dessen Betrachtung ganz darüber bestürzt wurde, den Heiland so zugerichtet zu erblicken; denn es war hier lebendig zum Ausdruck gebracht, was er für uns gelitten.

Bei dem Gedanken an die Undankbarkeit, womit ich ihm diese Wunden vergolten, war mein Schmerz so groß, dass mir das Herz zu brechen schien. Ich warf mich vor ihm nieder, und indem ich einen Strom von Tränen vergoss, bat ich ihn, er möge mich doch endlich einmal stärken, damit ich ihn nicht mehr beleidige.

Leben 93

(192-20140625)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...