Alle diese Auserwählten, die Palmen in den Händen tragen und in das Licht Gottes getaucht sind, mussten zuvor die großen Trübsale durchschreiten und jenen Schmerz kennenlernen, „der groß ist wie das Meer“ [Klgl 2,13]. Bevor sie mit unbedecktem Antlitz die Herrlichkeit des Herrn schauten, haben sie teilgenommen an den Erniedrigungen seines Gesalbten. Bevor sie umgewandelt wurden, „von Klarheit zu Klarheit“, in das Bild des göttlichen Seins, mussten sie dem Bild des menschgewordenen Wortes gleichförmig werden, das aus Liebe gekreuzigt worden ist.
Die Seele, die Gott Tag und Nacht dienen will in seinem Tempel, im inneren Heiligtum, von dem der hl. Paulus spricht: „Der Tempel Gottes ist heilig und der seid ihr“ (1 Kor 3,17), diese Seele muss entschlossen sein, einen tatsächlichen Anteil am Leiden ihres Meisters zu nehmen. Sie ist eine Erkaufte, die wieder andere Seelen erkaufen muss. Darum singt sie: „Ich rühme mich im Kreuz Jesu Christi.“ [Gal 6,14]. „Mit Christus bin ich gekreuzigt“ (Gal 6,14 und 2,19). „Ich ersetze an meinem Fleisch, was an den Leiden Christi für seinen Leib, der die Kirche ist, mangelt.“ (Kol 1,24).
„Die Königin steht zu deiner Rechten.“ (Ps 44,11). So schreitet diese Seele auf dem Weg nach Kalvaria zur Rechten ihres gekreuzigten, vernichteten, gedemütigten und doch allezeit starken, ruhigen und majestätischen Königs, der seinem Leiden entgegengeht, um die Herrlichkeit seiner Gnade offenbar zu machen.
Der schmerzliche Weg, auf dem die Braut mit dem Erlöser wandelt, erscheint ihr als ein Weg zur Seligkeit. Der Meister gibt ihr zu verstehen, dass sie über alles Bittere, das sich im Leiden findet, hinweggehen muss, um gleich ihm ihre Ruhe zu finden.
Dann kann sie Gott Tag und Nacht in seinem Tempel dienen. Die inneren und äußeren Prüfungen vertreiben sie nicht aus der heiligen Burg, worin er sie eingeschlossen hat. Sie hungert und dürstet nicht mehr. Trotz ihres verzehrenden Verlangens nach der Seligkeit, wird sie von jener Nahrung gesättigt, die auch die ihres Meisters war: „Der Wille des Vaters.“ [Vgl. Joh 4,32-34]. Sie fühlt die Sonne nicht mehr auf sich fallen, d. h. sie betrübt sich nicht mehr über das Leiden, und das „Lamm“ kann sie zu den Quellen des Lebens führen, wohin es will und wie es ihm gutdünkt. Denn sie hat nicht acht auf die Pfade, die sie wandelt; ihre Augen sind nur auf den Hirten gerichtet, der sie führt.
Über diese Seele, die sein angenommenes Kind und gleichförmig geworden ist dem Bild seines Sohnes, des Erstgeborenen unter allen Kreaturen, neigt sich Gott herab und erkennt sie an als eine von denen, die er vorherbestimmt, berufen und gerechtfertigt hat. Er frohlockt in seinem Vaterherzen beim Gedanken, dass er sein Werk vollenden wird, indem er sie verherrlicht und in sein Reich versetzt, damit sie dort in alle Ewigkeit das Lob seiner Herrlichkeit singe.
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