Sonntag, 29. März 2015

Papst Benedikt XVI. spricht über die heilige Teresa von Jesus

PAPST BENEDIKT XVI. -  GENERALAUDIENZ - Mittwoch, 2. Februar 2011

Liebe Brüder und Schwestern!

. . . hl. Theresia von Ávila [von Jesus].

Sie wird 1515 in Ávila in Spanien geboren, mit dem Namen Theresia de Ahumada. In ihrer Autobiographie erwähnt sie selbst einige Einzelheiten aus ihrer Kindheit: Von »tugendhaften und gottesfürchtigen Eltern« wird sie in eine kinderreiche Familie hineingeboren; es waren neun Brüder und drei Schwestern. Schon als Kind – sie ist noch keine neun Jahre alt – liest sie die Lebensbeschreibungen einiger Märtyrer, die in ihr den Wunsch nach dem Martyrium wecken. Sie läuft sogar kurz von zu Hause weg, um als Märtyrerin zu sterben und in den Himmel einzugehen (vgl. Das Buch meines Lebens 1,4): »Ich will Gott schauen«, sagt die Kleine zu ihren Eltern. Einige Jahre später wird Theresia über ihre Kindheitslektüre sagen, daß sie darin die Wahrheit gefunden hat, die sie in zwei grundlegenden Prinzipien zusammenfaßt: auf der einen Seite »die Tatsache, daß alle Dinge dieser Welt vergehen«, und auf der anderen Seite, daß nur Gott allein »für immer, für immer« ist. Dieses Thema kehrt wieder in ihren berühmten Versen: »Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken! Alles geht vorüber: Gott, er bleibt derselbe. Geduld erreicht alles. Wer Gott hat, dem fehlt nichts. Gott allein genügt.« Als sie mit zwölf Jahren ihre Mutter verliert, bittet sie die allerseligste Jungfrau Maria, ihre Mutter zu sein (vgl. Das Buch meines Lebens 1,7).

In der Jugend hatte die Lektüre profaner Bücher sie zu den Ablenkungen eines weltlichen Lebens geführt, aber die Erfahrung als Schülerin der Augustinerinnen von »Nuestra Señora de Gracia« in Ávila und der Umgang mit geistlichen Büchern, vor allem Klassikern der franziskanischen Spiritualität, lehren sie die Sammlung und das Gebet. Mit 20 Jahren tritt sie, ebenfalls in Ávila, in das Karmelitinnenkloster der Menschwerdung ein; im Ordensleben nimmt sie den Namen Theresia von Jesus an. Drei Jahre später wird sie so schwer krank, daß sie für vier Tage ins Koma fällt und scheinbar tot ist (vgl. Das Buch meines Lebens 5,9). Auch der Kampf gegen ihre Krankheiten ist für die Heilige ein Kampf gegen die Schwächen und die Widerstände gegen den Ruf Gottes. Sie schreibt: »Ich sehnte mich danach zu leben, denn ich verstand sehr wohl, daß ich nicht eigentlich lebte, sondern mit einem Schatten des Todes rang, aber es gab niemanden, der mir Leben gab, selbst geben konnte ich es mir aber auch nicht; der es mir aber geben konnte, hatte Recht, mir nicht zu Hilfe zu kommen, denn viele Male hatte er mich wieder an sich gezogen, während ich ihn im Stich gelassen habe« (Das Buch meines Lebens 8,12). 1543 verliert sie die Nähe ihrer Angehörigen: Der Vater stirbt, und all ihre Brüder wandern einer nach dem anderen nach Amerika aus. In der Fastenzeit des Jahres 1554 erreicht Theresia mit 39 Jahren den Höhepunkt des Kampfes gegen ihre Schwächen. Die zufällige Entdeckung des Bildes »eines ganz mit Wunden bedeckten Christus« zeichnet ihr Leben zutiefst (vgl. Das Buch meines Lebens 9). Die Heilige, die zu jener Zeit in tiefem Einklang mit dem Augustinus der Bekenntnisse steht, beschreibt den entscheidenden Tag ihrer mystischen Erfahrung so: »Es widerfuhr mir …, daß mich ganz unverhofft ein Gefühl der Gegenwart Gottes überkam, so daß ich in keiner Weise bezweifeln konnte, daß er in meinem Innern weilte oder ich ganz in ihm versenkt war« (Das Buch meines Lebens 10,1).

Mit dem Heranreifen ihrer Innerlichkeit beginnt die Heilige, das Ideal der Reform des Karmelordens konkret zu entwickeln: 1562 gründet sie in Ávila mit Unterstützung des Bischofs der Stadt, Alvaro de Mendoza, den ersten reformierten Karmel, und wenig später erhält sie auch die Approbation des Generaloberen des Ordens, Giovanni Battista Rossi. In den folgenden Jahren gründet sie weitere neue Karmelklöster, insgesamt 17. Grundlegend ist die Begegnung mit dem hl. Johannes vom Kreuz, mit dem sie 1568 in Duruelo bei Ávila das erste Kloster der Unbeschuhten Karmeliten gründet. 1580 erhält sie von Rom die Genehmigung zur Errichtung einer autonomen Provinz für ihre reformierten Karmelklöster: der Ausgangspunkt des Ordens der Unbeschuhten Karmeliten. Theresia beendet ihr irdisches Leben inmitten ihrer Gründungstätigkeit: Nachdem sie 1582 den Karmel von Burgos errichtet hat und sich auf der Rückreise nach Ávila befindet, stirbt sie in der Nacht auf den 15. Oktober in Alba de Tormes, während sie demütig folgende Sätze wiederholt: »Letztlich sterbe ich als Tochter der Kirche « und »Mein Bräutigam, die Stunde ist gekommen, daß wir uns sehen«. Ihr Leben spielte sich innerhalb von Spanien ab, wurde aber für die ganze Kirche hingegeben. Sie wird 1614 von Papst Paul V. selig- und 1622 von Gregor XV. heiliggesprochen. Vom Diener Gottes Paul VI. wird sie 1970 zur Kirchenlehrerin erklärt.

Theresia von Jesus hatte keine akademische Ausbildung, aber sie hat sich die Lehre von Theologen, Literaten und geistlichen Lehrern stets zunutze gemacht. Als Schriftstellerin hat sie sich immer an das gehalten, was sie persönlich erlebt oder in der Erfahrung anderer gesehen hatte (vgl. Vorwort zum Weg der Vollkommenheit); sie ging also von der Erfahrung aus. Theresia kann geistliche Freundschaften mit vielen Heiligen knüpfen, insbesondere mit dem hl. Johannes vom Kreuz. Gleichzeitig zieht sie Nahrung aus der Lektüre der Kirchenväter: aus dem hl. Hieronymus, dem hl. Gregor dem Großen, dem hl. Augustinus. Zu ihren größten Werken gehört vor allem ihre Autobiographie mit dem Titel Das Buch meines Lebens; sie nennt sie Von den Erbarmungen Gottes. Sie wurde 1565 im Karmel von Ávila verfaßt und berichtet über den biographischen und geistlichen Weg, der niedergeschrieben wurde, um – wie Theresia selbst sagt – ihre Seele der Begutachtung durch den »Meister der geistlichen Menschen «, den hl. Johannes von Ávila, zu unterziehen. Ziel ist es, die Gegenwart und das Wirken des barmherzigen Gottes in ihrem Leben hervorzuheben; daher gibt das Werk oft den Gebetsdialog mit dem Herrn wieder.

Es ist eine faszinierende Lektüre, denn die Heilige erzählt nicht nur, sondern sie zeigt, daß sie die tiefe Erfahrung ihrer Beziehung zu Gott noch einmal durchlebt. 1566 schreibt Theresia den Weg der Vollkommenheit; sie nennt ihn »Anweisungen und Ratschläge, die Theresia von Jesus ihren Töchtern, den Ordensschwestern, gibt«. Empfängerinnen sind die zwölf Novizinnen des Karmel »San José« in Ávila. Ihnen bietet Theresia ein tiefgreifendes Programm des kontemplativen Lebens im Dienst der Kirche, dessen Grundlage die evangelischen Tugenden und das Gebet sind. Einer der wertvollsten Abschnitte ist der Kommentar zum »Vaterunser«, dem Vorbild für das Gebet. Das berühmteste mystische Werk der hl. Theresia ist die Innere Burg, das sie 1577 schrieb, in voller Reife. Es ist eine neue Auslegung ihres geistlichen Weges und gleichzeitig eine Kodifizierung des möglichen Ablaufs des christlichen Lebens auf seine Fülle, die Heiligkeit, hin, unter dem Wirken des Heiligen Geistes. Theresia greift dabei zurück auf die Struktur einer Burg mit sieben Wohnungen als Bild der Innerlichkeit des Menschen und führt gleichzeitig das Symbol der Seidenraupe ein, die als Schmetterling neu geboren wird, um den Übergang vom Natürlichen zum Übernatürlichen zum Ausdruck zu bringen. Inspiriert durch die Heilige Schrift, besonders durch das Hohelied, gelangt die Heilige am Ende zum Symbol der beiden »Brautleute«, mit dem sie in der siebten Wohnung den Höhepunkt des christlichen Lebens unter seinen vier Aspekten beschreiben kann: dem dreifaltigen, dem christologischen, dem anthropologischen und dem kirchlichen Aspekt. Ihrer Tätigkeit als Gründerin der reformierten Karmelklöster widmet Theresia Das Buch der Gründungen, das zwischen 1573 und 1582 entstanden ist und in dem sie über das Leben der entstehenden Ordensgemeinschaft spricht. Wie bei der Autobiographie soll der Bericht vor allem das Wirken Gottes beim Werk der Gründung der neuen Klöster hervorheben.

Es ist nicht leicht, die tiefe und vielschichtige Theresianische Spiritualität in wenigen Worten zusammenzufassen. Erstens verweist die hl. Theresia auf die evangelischen Tugenden als Grundlage des ganzen christlichen und menschlichen Lebens: insbesondere die Abkehr von den Gütern oder die evangelische Armut, und das betrifft uns alle; die Liebe zueinander als wesentliches Element des Gemeinschaftslebens und des gesellschaftlichen Lebens; die Demut als Liebe zur Wahrheit; die Entschlossenheit als Frucht des christlichen Wagemuts; die theologische Hoffnung, die sie als Durst nach dem lebendigen Wasser beschreibt. Sie vergißt darüber jedoch nicht die menschlichen Tugenden: Freundlichkeit, Wahrhaftigkeit, Bescheidenheit, Höflichkeit, Fröhlichkeit, Bildung. Zweitens verweist Theresia auf eine tiefe Übereinstimmung mit den großen biblischen Gestalten und das aufrichtige Hören auf das Wort Gottes. Sie fühlt sich im Einklang vor allem mit der Braut des Hohenlieds und mit dem Apostel Paulus sowie mit dem leidenden Christus und dem eucharistischen Jesus. Die Heilige hebt außerdem hervor, wie wesentlich das Gebet ist. Sie sagt: Beten ist »nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, daß er uns liebt« (Das Buch meines Lebens 8,5). Die Idee der hl. Theresia stimmt mit der Definition der theologischen Liebe durch den hl. Thomas von Aquin als »amicitia quaedam hominis ad Deum« überein: eine Art Freundschaft des Menschen mit Gott, der dem Menschen als erster seine Freundschaft angeboten hat; die Initiative geht von Gott aus (vgl. Summa theologiae II-II,23,1). Das Gebet ist Leben, und es entwickelt sich nach und nach zusammen mit dem Wachstum des christlichen Lebens: vom gesprochenen Gebet über die Verinnerlichung durch Betrachtung und Sammlung bis hin zur liebenden Vereinigung mit Christus und mit der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Natürlich handelt es sich nicht um eine Entwicklung, bei der man beim Aufstieg zu den höheren Stufen die vorhergehende Art des Gebets zurückläßt, sondern vielmehr wird die Beziehung zu Gott, die das ganze Leben umfaßt, nach und nach vertieft. Bei Theresia handelt es sich nicht so sehr um eine Unterweisung im Gebet als vielmehr um eine »Mystagogik«: Sie lehrt den Leser ihrer Werke beten, indem sie selbst mit ihm betet; häufig unterbricht sie den Bericht oder die Darlegung, um ein Gebet hervorzubringen. Ein weiteres Thema, das der Heiligen am Herzen lag, ist die Zentralität der Menschheit Christi.

Für Theresia ist das christliche Leben eine persönliche Beziehung zu Jesus, das seinen Höhepunkt in der Vereinigung mit ihm aus Gnade, aus Liebe und in der Nachahmung findet. Daher mißt sie der Betrachtung des Leidens große Bedeutung bei, ebenso wie der Eucharistie als Gegenwart Christi in der Kirche, durch das Leben eines jeden Gläubigen und als Herzstück der Liturgie. Die hl. Theresia lebt eine bedingungslose Liebe zur Kirche: Sie offenbart einen aufrichtigen »sensus Ecclesiae« angesichts der Spaltungen und Konflikte in der Kirche ihrer Zeit. Sie reformiert den Karmelorden in der Absicht, der »heiligen römisch-katholischen Kirche« besser zu dienen und sie besser zu verteidigen, und ist bereit, ihr Leben für sie hinzugeben (vgl. Das Buch meines Lebens 33,5). Ein letzter wesentlicher Aspekt der Theresianischen Lehre, den ich hervorheben möchte, ist die Vollkommenheit als Bestreben und Endziel des gesamten christlichen Lebens. Die Heilige hat eine sehr klare Vorstellung von der »Fülle« Christi, die der Christ aufs neue lebt. Am Ende des Weges der Inneren Burg, in der letzten »Wohnung«, beschreibt Theresia diese Fülle, verwirklicht in der Einwohnung der Dreifaltigkeit, in der Vereinigung mit Christus durch das Geheimnis seiner Menschheit.

Liebe Brüder und Schwestern, die hl. Theresia von Jesus ist eine wahre Lehrerin des christlichen Lebens für die Gläubigen jeder Zeit. In unserer Gesellschaft, in der es oft an geistlichen Werten mangelt, lehrt uns die hl. Theresia, unermüdliche Zeugen Gottes, seiner Gegenwart und seines Wirkens zu sein; sie lehrt uns, wirklich diesen Durst nach Gott zu spüren, der in der Tiefe unseres Herzens vorhanden ist, dieses Verlangen, Gott zu schauen, Gott zu suchen, mit ihm im Gespräch zu stehen und seine Freunde zu sein. Das ist die Freundschaft, die wir alle brauchen und nach der wir jeden Tag aufs neue suchen müssen.

Das Vorbild dieser Heiligen, die zutiefst kontemplativ war und tatkräftig ans Werk ging, möge auch uns anspornen, jeden Tag die rechte Zeit dem Gebet , der Öffnung gegenüber Gott und diesem Weg zu widmen, um Gott zu suchen, ihn zu schauen und seine Freundschaft und somit das wahre Leben zu finden. Denn in Wirklichkeit müßten viele von uns sagen: »Ich lebe nicht, ich lebe gar nicht wirklich, denn ich lebe nicht das Eigentliche meines Lebens.« Die Zeit des Gebets ist daher keine verlorene Zeit, sondern eine Zeit, in der sich der Weg des Lebens öffnet, in der sich der Weg öffnet, um von Gott eine glühende Liebe zu ihm, zu seiner Kirche und eine konkrete Liebe zu unseren Brüdern zu lernen. Danke.


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